Dass in Billstedt eine neue Spielhalle gebaut werden soll,
man spricht von der größten in
Hamburg, wird sich mittlerweile bei fast allen Bürgern herumgesprochen haben.
Auch bei denen, die sich bisher noch nie für Politik, Spielhallen und deren
Folgen interessierten.
Doch hat die Lucky Seven Commerz GmbH mit Sitz in Berlin in
diesem Falle die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wahrscheinlich. Der Wirt sind
in diesem Fall die Bürger Billstedts, die es sich nämlich nicht mehr gefallen
lassen, dass mit ihnen und den Ärmsten, den Spielsüchtigen, Geschäfte gemacht
werden, weil das Profitinteresse vor dem Wohl des Stadtteils steht. Kein
Wunder, denn die Umsätze auf dem deutschen Glücksspiel-Markt liegen bei knapp
25 Milliarden Euro. Die Bürger begehren auf, organisieren Mahnwachen und
werden den Betrieb mit Sicherheit stören. „Im Notfall bis zur Aufgabe des
Betreibers,“ so ein Mitglied der Bürgerinitiative “HalloBillstedt“.
Aber nicht nur die Bürger gehen auf die Straße und wehren sich,
auch die Politiker, in diesem Falle aller Parteien, melden sich zu Wort.
Stellen Anträge in denen es heißt, dass es eine gute Chance gibt, das Vorhaben
zu verhindern. Die Rechtslage sei zwar durch die verschiedenen Antragsverfahren
und Gesetzesänderungen sehr komplex, doch der Glückspielstaatsvertrag sagt
eindeutig, dass eine Mehrfachkonzession für Spielhallen in einem Gebäudekomplex
nicht erlaubt ist. Zudem dürfen Wettbüros, in diesem Falle in dem geplanten
“Sportcafé“, nicht im selben Gebäude wie der Spielhalle untergebracht werden.
Die “Grünen“ weisen in ihrem Antrag auch auf die in der
Nähe liegenden Schulen und Kindergärten, denn durch die reduzierten
Freizeitangebote für Jugendliche und Heranwachsende verlagert sich deren
Freizeitgestaltung nicht nur vermehrt an heimische Computer, wo Sportwetten,
Onlinepoker und andere Glücksspiele unkontrolliert erreichbar sind, auch
draußen, in den Kaffees, Shisha-Bars und eben in den Spielhallen, wo ihnen mit
Leichtigkeit der Zugang zu Sportwetten- und “Daddel“-Automaten gewährt wird.
Diese Anträge sind letzte Woche in der Bezirksversammlung in Hamburg-Mitte
einstimmig verabschiedet worden. Jetzt ist der Bezirksamtsleiter Andy Grothe
zusammen mit seinen Rechtsabteilungen
des Senats in der Pflicht. Er muss prüfen, ob diese Konzessionen für Wettbüros
und Spielhallen verweigert werden können.
Der Hintergrund für das Aufbegehren ist nicht nur das schon
vorhandene Überangebot an Spielhallen in Billstedt, sondern vor allem die
Spielsucht die daraus entsteht. Sie ist eine in der Bevölkerung noch nicht
wirklich erkannte Sucht, doch gibt es lt. Angaben der Hamburgischen Landesstelle
gegen Suchtgefahren allein in der Hansestadt rund 8000 Fälle, in ganz
Deutschland rund 200.000, die aufgrund ihrer Spielsucht beratungs- und
behandlungsbedürftig sind. „Leidtragende dieser Sucht sind die Familien, deren
schwer erarbeitetes Hab und Gut manchmal in sekundenschnelle in den Automaten
der Spielhallenbetreiber verschwinden,“ so Gisela Alberti von der “Aktiven
Suchthilfe“ auf einer Podiumsveranstaltung der Grünen in Billstedt. Nicht ohne
Grund siedeln sich rund um Spielhallen zuhauf Pfandleiher an, bei denen das
Familiensilber, manchmal auch Gold zu Geld gemacht wird, damit es in die
Automaten gesteckt werden kann.
Das Durchschnittsalter der Jugendlichen beträgt 16,1
Jahre, obwohl kein Spieler unter 18 Jahren eine Spielhalle betreten darf. Und
im Ranking der Suizidtoten stehen Glücksspieler an vorderster Stelle. Von daher
versteht es sich fast von selbst, dass nicht nur in Billstedt keine weiteren
Spielhallen und Wettbüros erlaubt werden sollten.
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