Mittwoch, 31. Oktober 2012

Billstedter gehen auf die Barrikaden


Dass in Billstedt eine neue Spielhalle gebaut werden soll, man spricht von der  größten in Hamburg, wird sich mittlerweile bei fast allen Bürgern herumgesprochen haben. Auch bei denen, die sich bisher noch nie für Politik, Spielhallen und deren Folgen interessierten.
Doch hat die Lucky Seven Commerz GmbH mit Sitz in Berlin in diesem Falle die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wahrschein­lich. Der Wirt sind in diesem Fall die Bürger Bill­stedts, die es sich nämlich nicht mehr gefallen lassen, dass mit ihnen und den Ärmsten, den Spielsüchtigen, Geschäf­te gemacht werden, weil das Pro­fitinteresse vor dem Wohl des Stadt­teils steht. Kein Wunder, denn die Umsätze auf dem deutschen Glücks­spiel-Markt liegen bei knapp 25 Milliarden Euro. Die Bürger begehren auf, organi­sieren Mahnwachen und werden den Betrieb mit Sicherheit stören. „Im Notfall bis zur Aufgabe des Betreibers,“ so ein Mitglied der Bürgerinitiative “HalloBillstedt“.




Aber nicht nur die Bürger gehen auf die Straße und wehren sich, auch die Politiker, in diesem Falle aller Parteien, melden sich zu Wort. Stellen Anträge in denen es heißt, dass es eine gute Chance gibt, das Vorhaben zu verhindern. Die Rechtslage sei zwar durch die verschiedenen Antragsver­fahren und Gesetzesänderungen sehr komplex, doch der Glückspielstaats­vertrag sagt eindeutig, dass eine Mehrfachkonzes­sion für Spielhallen in einem Gebäude­komplex nicht erlaubt ist. Zudem dürfen Wettbüros, in diesem Falle in dem geplanten “Sportcafé“, nicht im selben Gebäude wie der Spielhalle untergebracht werden.




Die “Grünen“ weisen in ihrem Antrag auch auf die in der Nähe liegenden Schulen und Kindergärten, denn durch die reduzierten Freizeitangebote für Jugendliche und Heranwachsende verlagert sich deren Freizeitgestaltung nicht nur vermehrt an heimische Com­puter, wo Sportwetten, Onlinepoker und andere Glücksspiele unkontrolliert erreichbar sind, auch draußen, in den Kaffees, Shisha-Bars und eben in den Spielhallen, wo ihnen mit Leichtigkeit der Zugang zu Sportwetten- und “Daddel“-Automaten gewährt wird. Diese Anträge sind letzte Woche in der Bezirksversammlung in Hamburg-Mitte einstimmig verabschiedet worden. Jetzt ist der Bezirksamtsleiter Andy Grothe zusammen mit seinen  Rechtsabteilungen des Senats in der Pflicht. Er muss prüfen, ob diese Kon­zessionen für Wettbüros und Spiel­hallen verweigert werden können.




Der Hintergrund für das Aufbegehren ist nicht nur das schon vorhandene Überangebot an Spielhallen in Billstedt, sondern vor allem die Spielsucht die daraus entsteht. Sie ist eine in der Bevölkerung noch nicht wirklich erkannte Sucht, doch gibt es lt. Angaben der Hamburgischen Landes­stelle gegen Suchtgefahren allein in der Hansestadt rund 8000 Fälle, in ganz Deutschland rund 200.000, die auf­grund ihrer Spielsucht beratungs- und behandlungsbedürftig sind. „Leidtra­gende dieser Sucht sind die Familien, deren schwer erarbeitetes Hab und Gut manchmal in sekundenschnelle in den Automaten der Spielhallenbetreiber verschwinden,“ so Gisela Alberti von der “Aktiven Suchthilfe“ auf einer Podiumsveranstaltung der Grünen in Billstedt. Nicht ohne Grund siedeln sich rund um Spielhallen zuhauf Pfandleiher an, bei denen das Familiensilber, manchmal auch Gold zu Geld gemacht wird, damit es in die Automaten gesteckt werden kann.



Das Durchschnittsalter der Jugend­lichen beträgt 16,1 Jahre, obwohl kein Spieler unter 18 Jahren eine Spielhalle betreten darf. Und im Ranking der Suizidtoten stehen Glücksspieler an vorderster Stelle. Von daher versteht es sich fast von selbst, dass nicht nur in Billstedt keine weiteren Spielhallen und Wettbüros erlaubt werden sollten.









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