Samstag, 14. Dezember 2013

Billstedt verliert sein Klanghaus


Einer der visionärsten Musiker und  renommiertesten Klangbildner unserer Zeit lebt und arbeitet in Billstedt! Und kaum jemand nimmt davon Kenntnis. Vor kurzem hat Ferdinand Försch für sein „Klanghaus“ in der Berzeliusstraße die Kündigung bekommen und weiß jetzt nicht mehr wohin mit sich und seinen Musikinstrumenten.

Wollte man Vergleiche mit heute anerkannten Künstlern anstellen, müssten Namen wie Vincent van Gogh fallen, dessen Kunst zu  Lebzeiten auch nur schwerlich anerkannt war. Oder ganz banal die Beatles. Die Vergleiche hinken vielleicht ein bisschen, aber als die erste Schallplatte der Beatles über den Äther der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, kamen Vergleiche mit Urwaldklängen auf. Heute gelten die Fab Four als größten Komponisten nach Beethoven, Bach und Bartholdy. Von Mozart ganz zu Schweigen.

„Natürlich könnte ich alle Instrumente  auseinanderbauen und in einen großen Container stellen,“ versuchte Ferdinand Försch seiner misslichen Lage mit Galgenhumor entgegenzuwirken, „aber dann sind sie tot. Und ob ich die Instrumente danach noch einmal zum Leben erwecken kann, bezweifle ich.“

Schon drei Jahrzehnte lang realisiert Försch seine Vision von bildender Kunst und Musik. In seinem Klanghaus, das er 1997 bezog und zwischenzeitlich sogar Vorzeige-Objekt der Hamburger Kulturbehörde war, entstanden Klangskulpturen, Klangbilder und Instrumente, die bei entsprechend finanzieller Staffage jeden Raum und sei dieser noch so klein, zu unermesslicher Volumina verhilft. Egal, ob auf dem Instrument gespielt oder es „nur“ betrachtet wird.

Klang und Stille, Transparenz und Komplexität, Grenzüberschreitung und Transformation – dies sind nur einige Begriffe und Bereiche, wie Ferdinand Försch seine Arbeit selbst kennzeichnet. Töne werden zu Objekten und Objekte zu Tönen. Wer ihm beim Spielen zuhört, verfällt in einen Klangrausch. Jeder Ton klingt intensiver, jedes mit geschlossenen Augen betrachtete Bild kontrastreicher. 

Ferdinand Försch studierte  von 1972 bis 1980 Komposition, Perkussion (Schlagzeug) und elektronische Musik in Würzburg und Stuttgart. Doch nachdem er 1982 den amerikanischen Avantgarde-Komponisten John Cage kennenlernte, „brauchte ich meine erlernten Noten nicht mehr,“ so Försch. Er entdeckte danach die Klangvielfalt auf Schrottplätzen! Baute aus Altmetall Schlagzeuge und perfektionierte über Jahre hinweg so sein Instrumentenbau. Später allerdings mehr mit Edelstahl.


Im Hochparterre befindet sich der „Konzertsaal“. Leider nur für 50 Zuschauer. Leider deshalb, weil ihm Dana Horáková, Journalistin und von 2002 bis 2004 parteilose Kultursenatorin in Hamburg, die Subvention strich. Begründung: Es passen keine 70! Zuschauer in seinen „Saal“! 4500 Euro im Jahr bekam er damals für 12 Veranstaltungen. Danach gab Ferdinand Försch in seinem Klanghaus nur noch Workshops, Konzerte für Schulklassen und für Behinderte, die allesamt auch mit den Instrumenten musizieren durften.

Ferdinand Försch führte mir vor, was mit seinen Kunstwerken musikalisch möglich ist und interessierten Zuhörern danach verwehrt blieb. Wer nicht völlig emotionslos ist, dem verschlägt es die Sprache. Und wer nach der Vorführung doch nicht sprachlos ist, dem versagt spätestens ein Stockwerk höher die Stimme. Dort befinden sich die Ausstellungsräume für die einmaligen Musikinstrumente. „Bei diesen Geräten geht es übrigens nicht darum, wie darauf gespielt wird,“ erklärt mir der Klangkünstler, „sondern was alles damit angestellt werden kann.“

Kalt ist es. „Im Sommer und Winter wird es hier nie wärmer als 17 Grad,“ erzählt er mit einem Augenzwinkern, „obwohl es ja „Warmmiete“ heißt.“ Alles erinnert ein wenig an „La Bohème“. Die Heizkosten kann er kaum aufbringen, aber beklagen will er sich nicht. Bis September 2014 kann er noch bleiben, obwohl sein Vertrag bis Dezember 2014 läuft. Er ist dem Vermieter entgegengekommen. Warum der Vertrag nicht verlängert wurde, weiß er nicht, und wie es weitergehen soll, weiß er auch nicht. Zu viele Instrumente, zu wenig Geld, keine Räume mehr.

In Asien, Westafrika und den USA hat er schon gespielt, dort in in New York. Tourneen und Gastspiele. Ganz oben war er. Und nun sitzt er bald auf der Straße. Vielleicht.

2014 hat er ein Engagement am Thalia-Theater. Auch geht er mit dem Theater auf Tournee. Das wird ihn über Wasser halten, aber bezahlbaren Raum hat er dadurch immer noch nicht. 200 Quadratmeter für den handelsüblichen Preis könnte er bezahlen, er braucht aber 600 qm mehr, mindestens. Besser wären insgesamt 1000 qm. Wahrscheinlich wird Billstedt diesen begnadeten Künstler verlieren. Es wäre schade. Mike Neschki

1 Kommentar:

  1. Seit dem Ferdinand Försch weiß, das er in der Berzeliusstraße raus muß,seit dem kämpfe ich da für, das er irgend wo im Bezirk Mitte unter kommen kann !! Der Regionalausschuß Billstedt hat ihm Unterstützung zu gesagt, aber können ihm nicht versprechen !! Die Kulturbehörde hat ihm Unterstützung zu gesagt, mehr aber auch nicht !! Es ist ein Spießruten laufen, nicht mehr, nicht weniger !! Wem habe ich alles auf die Füße getreten, da mit ihm geholfen wird ?? Bis heute sind wir kein Stück weiter, und wenn das ein trifft, was da oben geschrieben steht, dann müßte man den Bezirk Mitte in den Hintern treten !!

    Erich Heeder - Stadtteilkünstler

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